Traineeprogramme sind längst nicht mehr alleinige Domäne von Wirtschaftswissenschaftlern – auch Technik- und IT-Absolventen bietet sich immer häufiger die Gelegenheit, ihre Laufbahn als Trainee zu starten. Hier lernen sie, die Strategien des Unternehmens mitzugestalten, und erhalten das Rüstzeug für eine erfolgreiche Karriere.
Es war ein großes Fest, als der Technologiekonzern Kapsch im November 2017 das 25-jährige Jubiläum seines Traineeprogramms feierte. Organisiert wurde die Feier von den eigenen Trainees. Über 100 Gäste waren ins Wiener Hotel „25hours“ eingeladen – darunter alle Trainees der vergangenen Jahre, ihre Wegbegleiter und Vorstände der Kapsch Group. Unter ihnen war auch der COO (Chief Operating Officer), Thomas Schöpf, der einst selbst im Unternehmen als Trainee seine Karriere startete.
Die Wertschätzung für die Trainees zeigt: Traineeships sind längst eine etablierte Form des Berufseinstiegs nach einem erfolgreichen Studium. Das gilt nicht nur für Wirtschaftswissenschaftler, an die sich die Programme ursprünglich richteten, um sie auf eine Rolle als Führungskraft vorzubereiten. Auch für Talente aus dem Technik- und IT-Bereich gibt es immer mehr Angebote für den Einstieg als Trainee. Denn auch für Techniker und Informatiker ist es zunehmend wichtig, alle Strukturen und Facetten eines Unternehmens zu verstehen. Und nicht jeder ist sich nach seinem Hochschulstudium sicher, in welchen Bereich er einsteigen möchte. „Während der verschiedenen Stationen eines Traineeprogramms eröffnen sich oft neue spannende Möglichkeiten, Interessen und Vorlieben, die die Trainees vielleicht noch nie in Erwägung gezogen haben. Davon profitieren sie selbst und das Unternehmen“, erklärt Andrea Kneisz, Employer Branding Managerin bei Kapsch.
Früh vernetzt
Auch Ralph Romen startete seine berufliche Laufbahn als Trainee, nachdem er sein Studium „Umwelt- und Bioressourcenmanagement“ an der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien abgeschlossen hatte. Er entschied sich für das Traineeprogramm „Automatisierung & Energieprojekte“ des Energieversorgers Wien Energie. „Das Traineeprogramm ermöglicht durch die Stationen in mehreren Abteilungen innerhalb kurzer Zeit, einen tiefen Einblick in ein Großunternehmen zu bekommen“, begründet der Absolvent seine Entscheidung. „So kann ich mich schnell vernetzen und bekomme eine Orientierung, wo mein ideales Einsatzgebiet im Unternehmen liegt.“
Auf seinen Arbeitgeber aufmerksam wurde Romen beim Besuch der Karrieremesse „Career Calling“ in Wien. Dort warben die Wiener Stadtwerke, zu denen Wien Energie gehört, für das Traineeprogramm. Nach seiner Bewerbung und einem kurzen Vorstellungsgespräch wurde er zu einem intensiven, achtstündigen Assessment Center eingeladen. Schon am Tag darauf erhielt er einen Anruf aus der Personalabteilung und erfuhr, dass er ins Traineeprogramm einsteigen konnte.
Neues ausprobieren
„Technik steht immer mehr im Vordergrund und ist stetem Wandel unterworfen“, bestätigt Andrea Kneisz aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung bei Kapsch. „Als Technologiekonzern setzen wir auf Absolventinnen und Absolventen, die mit ihrem frisch erworbenen Know-how und ihrer Kreativität Bestehendes hinterfragen und mutig Neues ausprobieren wollen. Sie sollen schon als Trainees unsere technischen Teams mit ihren Ideen bereichern und gleichzeitig von der Erfahrung unserer Experten lernen.“
Um einen umfassenden Überblick über das Unternehmen zu erhalten, durchlaufen Trainees verschiedene Stationen. Einsätze in verschiedenen Bereichen und Projekten sind der Normalfall. Häufig können sie über den nächsten Schritt mitentscheiden und ihr Programm so mitgestalten. Abwechslung und ein schneller Zuwachs an Know-how sind damit garantiert, entsprechende Flexibilität müssen die Trainees mitbringen. Im Graduate Trainee Program von Kapsch durchlaufen die Trainees innerhalb von zwei Jahren vier Stationen. Die erste Station ist fix, den weiteren Weg können sie wählen. Beim Traineeprogramm für Techniker führen zwei der vier Stationen ins Ausland. Grund ist die internationale Ausrichtung der Entwicklungsteams. „Neben dem Headquarter in Wien verfügt Kapsch über große Entwicklungseinheiten in Argentinien, Chile, Nordamerika und Schweden. Umso wichtiger sind die internationale Zusammenarbeit und Vernetzung des Know-hows – also beginnen wir damit schon bei den Trainees“, so Andrea Kneisz. Auch bei der Wahl der Auslandsstationen versucht das Unternehmen, die Wünsche der Trainees zu berücksichtigen.
Unterschiedliche Programmdauer
Die typische Dauer eines Traineeprogramms reicht von 14 bis 24 Monaten. Hier haben die Trainees genügend Zeit, unterschiedliche Bereiche des Unternehmens kennenzulernen, in verschiedenen Bereichen Kontakte zu knüpfen und zusätzliche Off-the-Job-Trainings wahrzunehmen. Trägt eine Einarbeitungsphase von weniger als einem Jahr das beliebte Etikett „Traineeprogramm“, ist Vorsicht geboten. Einige Monate reichen zwar, sich in Projekte einzuarbeiten – um einen tieferen Einblick in verschiedene Abteilungen zu erhalten und wirklich hinter die Kulissen des Unternehmens zu schauen, reicht die Zeit jedoch vermutlich nicht aus.
Die Traineeprogramme von Wien Energie dauern jeweils 18 Monate. Wer daran teilnimmt, durchläuft jeweils drei Ausbildungsstationen und eine abschließende Spezialisierungsphase, in der sich die Trainees auf ihre künftige Zielposition vorbereiten. „Die Programme sind auf die Bereiche Sales, Technik und IT zugeschnitten“, erläutert Sales-Trainee Romen, der seine letzte Trainee-Station in einer technischen Abteilung absolviert. „Das passt gut zu meinem interdisziplinären Studium. Der generelle Zeitrahmen der verschiedenen Programme und manche Fortbildungen sind gleich, aber die Stationen in den Fachabteilungen, die meisten Schulungen und die möglichen finalen Einsatzorte bei einer Übernahme unterscheiden sich.“
Welcome Day und Einführungswoche
Für den Absolventen der BOKU Wien begann das Traineeprogramm mit einem „Welcome Day“ für alle Trainees seines Ausbildungsjahrgangs. Hier lernten sie den Geschäftsführer und den Personalleiter des Unternehmens kennen, alle Mentoren und Mentorinnen sowie die Fachtrainer und Fachtrainerinnen, mit denen sie in den kommenden anderthalb Jahren zusammenarbeiten werden. Nach einer Einführungswoche mit einer Führung durch den Hauptsitz des Unternehmens sowie Ausflügen in nahe gelegene Kraftwerke und Außenstellen von Wien Energie kam er in seine erste Station im Großkundenvertrieb und konnte gleich in einem Projekt zum Ausbau von Fernwärme in Stadtentwicklungsgebieten mitarbeiten.
Der Wechsel zwischen den weiteren Stationen ermöglichte dem Trainee, in verschiedenen Fachabteilungen und bei unterschiedlichen Projekten mitzuarbeiten. „So bekommen die Trainees in kurzer Zeit einen tiefen Einblick in die aktuellen technischen oder IT-Einsatzgebiete der Energiewirtschaft“, sagt Ralph Romen. Darüber hinaus bietet das Energieunternehmen aus Wien seinen Trainees die Übernahme einer Co-Projektleitung an. Bei Romen entwickelte sich die Aufgabe sogar weiter – und er sich mit: Da der eigentliche Projektleiter in eine andere Abteilung wechselte, wurde aus der Co-Projektleitung eine Projektleitung. „Es ging um die Betreuung eines Projekts zur Bürgerbeteiligung am E-Mobilitäts-Ladenetz in Wien. Das war eine verantwortungsvolle Aufgabe, bei der ich sehr viel gelernt habe“, erinnert sich der 30-jährige Energie-Experte.
Persönliche Betreuung
Wichtig ist, dass die Trainees feste Ansprechpartner haben. Ralph Romen kann sich an seine Mentorin wenden, die ihn während des gesamten Programms begleitet und ihm mit Rat und Tat zur Seite steht: „Wir treffen uns in unregelmäßigen Abständen zum Mittagessen und tauschen uns aus. Dazu gibt es in jeder Station sogenannte Fachtrainer und -trainerinnen, von denen wir unsere Arbeitsaufgaben für die jeweilige Station bekommen. Außerdem haben wir regelmäßigen Kontakt mit der Traineebetreuerin aus der Personalabteilung.“
Über die Qualität eines Traineeprogramms entscheidet außerdem die Möglichkeit, ein dichtes Netzwerk im Unternehmen zu knüpfen, auf das die Trainees auch nach einer Weiterbeschäftigung zurückgreifen können. Zum Teil entwickelt sich dies schon durch die intensive Mitarbeit in wechselnden Abteilungen. Den Netzwerk-Gedanken können Unternehmen aber auch strukturiert unterstützen. Viele Arbeitgeber ermöglichen ihren Trainees regelmäßige Treffen, auf denen sie sich über ihre Erfahrungen im Unternehmen austauschen können. Das kann auch auf gemeinsamen Exkursionen und in Online-Foren geschehen. Alumni-Netzwerke ehemaliger Trainees tragen ebenfalls dazu bei, noch nach Abschluss des Programms gemeinsam von den früheren Erfahrungen zu profitieren.
Schulungen und Trainings
So hält Kapsch gleich zu Beginn seines Graduate Trainee Programs ein Trainee-Wochenende ab. Es folgen begleitende Fach- und Kamingespräche, Teambuilding-Maßnahmen wie monatliche Treffen der aktuellen Trainees sowie regelmäßige Treffen ehemaliger Teilnehmer an den Traineeprogrammen. „Außerdem haben alle unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Möglichkeit, fach- und persönlichkeitsbezogene Seminare und Workshops unserer Kapsch University zu besuchen, die die internen Weiterbildungen organisiert. Diese steht selbstverständlich auch unseren Trainees offen“, betont Andrea Kneisz. Die Trainees von Wien Energie besuchen ebenfalls unternehmensinterne Seminare und Schulungen, erhalten externe Coachings und nehmen an Netzwerktreffen teil. In der jährlich stattfindenden „Innovation Challenge“ haben sie die Chance, zusammen mit externen Start-ups, smarte Lösungen für die Energiewirtschaft zu entwickeln.
Seminare und Workshops dienen natürlich nicht nur der Netzwerkpflege, auch wenn dies ein willkommener Nebeneffekt ist. Vor allem bieten sie den Trainees Gelegenheit, sich mit der Unternehmensorganisation, der Branche oder Fachthemen zu beschäftigen. In Soft-Skills-Trainings, Sprachkursen oder E-Learning-Angeboten lassen sich weitere Themen aneignen, die im Technik- oder IT-Studium zu kurz kamen und die die Trainees auch auf ihren Stationen nicht einfach on the Job erlernen können. Wenn der Arbeitgeber in der Stellenausschreibung oder im Vorstellungsgespräch nicht selbst auf solche Angebote hinweist, lohnt es in jedem Fall, danach zu fragen. Existieren sie nicht, ist fraglich, inwieweit das Unternehmen bereit ist, in die Ausbildung seiner Trainees zu investieren.
Entscheidung über die Zielposition
Bei der Entscheidung über die Zielposition der Trainees gehen Unternehmen unterschiedliche Wege. Mal steht die Art des späteren Einstiegs von vornherein fest. Dies ist häufiger im kaufmännischen als im technischen Bereich der Fall, etwa wenn Hochschulabsolventen auf eine Karriere im Vertrieb oder Einkauf vorbereitet werden. Häufig kristallisiert sich erst während des Traineeprogramms heraus, wo der Kandidat seine Laufbahn beginnen soll. Dies wird meist zu einem vorher bestimmten Zeitpunkt mit ihm besprochen.
So hält es auch der Technologiekonzern Kapsch: „Die Zielposition ergibt sich individuell im Lauf des zweijährigen Programms – je nach Möglichkeiten und Wünschen der Trainees. Wir halten es für wichtig, sich nicht zu früh festzulegen, um die Chance, viele spannende Möglichkeiten kennenlernen zu können, auch zu nutzen“, so die Employer Branding Managerin Kneisz. Beim Energieversorger Wien Energie bereiten sich die Trainees nach ihren drei Stationen in unterschiedlichen Unternehmensbereichen in der abschließenden Spezialisierungsphase auf ihren Berufseinstieg vor.
Gute Übernahmechancen
Die Chance, übernommen zu werden, ist in einem anspruchsvollen Traineeprogramm ausgesprochen gut, auch wenn nicht jedes Unternehmen seine Trainees von vornherein mit einem unbefristeten Vertrag ausstattet. Konzeption und Umsetzung eines Traineeprogramm sind aufwendig und kostspielig. Deshalb liegt es ganz im Interesse des Unternehmens, den frisch qualifizierten Nachwuchs auch zu halten und nach Abschluss der Einarbeitung nicht etwa zur Konkurrenz ziehen zu lassen. „Das Ziel des Programms sollte für mich, aber auch für das Unternehmen, die Übernahme sein“, stellt auch Wien-Energie-Trainee Romen fest, und sieht sich dabei auf einem guten Weg.
Bei Kapsch erhalten die Trainees von Beginn an unbefristete Arbeitsverträge, der Einstieg ins Unternehmen ist also mit Aufnahme in das Programm gesichert. „Ziel unseres Traineeprogramms ist, den Bedarf an hoch qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus den eigenen Reihen abzudecken. Daher legen wir auch ein großes Augenmerk auf die Auswahl der neuen Trainees“, erläutert Andrea Kneisz.
Perspektiven nach dem Programm
Technik- und IT-Absolventen, die erfolgreich ein Traineeprogramm durchlaufen haben, haben alle Chancen, sich im Unternehmen weiterzuentwickeln – als Teamleiter oder internationale Führungskraft und manchmal bis in den Vorstand. Dabei hilft den Trainees das Netzwerk, das sie sich frühzeitig aufbauen können. Das funktioniert auch im Berufsleben häufig informell und aus Eigeninitiative am besten: „In unserem Trainee-Jahrgang hat sich ein monatlicher Stammtisch etabliert, bei dem wir uns bei einem After-Work-Bier gemütlich austauschen“, freut sich Ralph Romen. Gründe zu feiern bietet ein spannendes Traineeprogramm genügend – und das nicht erst nach 25 Jahren.
Text: Heinz Peter Krieger
Foto: iStock.com/skynesher