Traineeships werden bei Hochschulabsolventen immer beliebter. Sie versprechen ein erstklassiges Training, beste Perspektiven und sollen die Führungskräfte von morgen hervorbringen. Doch nicht jedes Traineeprogramm erfüllt die Erwartungen.
Im Supermarkt ist die Qual der Wahl groß. Joghurts, Tiefkühlpizzen, Cornflakes. Auch Trainee-Bewerber stehen bei der Rewe Gruppe, die neben Billa noch die Ketten Merkur und Penny betreibt, vor einem prall gefüllten Regal. Da gibt es etwa das Management-Traineeprogramm, das Category-Management-Traineeprogramm, das Traineeprogramm im Vertrieb, sowie die Programme der jeweiligen Handelsketten.
Interessenten sollten unbedingt auf die Qualität achten, bevor sie zugreifen. Traineeship ist nicht gleich Traineeship. „Das angebotene Spektrum von Traineeprogrammen ist heutzutage stärker nach Funktionsbereichen ausdifferenziert“, sagt Christine Wegerich, Expertin für Personalmanagement von der Hochschule Würzburg-Schweinfurt. „Bewerber sollten sich intensiv mit den Schwerpunkten der Traineeprogramme beschäftigen“, sagt die Professorin. „Es gibt große Unterschiede bei der Konzeption.“ Neben den Management-Traineeprogrammen für angehende Manager gibt es eine Vielzahl an Traineeships, die ganz eigene Schwerpunkte setzen und eine entsprechende Expertenlaufbahn ermöglichen: kaufmännische oder technische Traineeprogramme, solche für IT- oder HR-Spezialisten, für Vertriebler oder PR-Fachleute.
Große Gehaltsunterschiede für Trainees in Österreich
Eine gezielte Auslese ist aus mehreren Gründen wichtig. Erstens finden immer mehr Absolventen in Österreich ihren Berufseinstieg über ein Traineeprogramm. Nach Schätzungen des Karriereforschers Markus Latzke von der Wirtschaftsuniversität Wien sind es schon zehn Prozent aller Absolventen – Tendenz steigend.
Zweitens setzen viele Unternehmen Traineeprogramme als Rekrutierungsinstrument ein, als Lockmittel, das gut klingt und attraktiv aussieht, aber nicht immer hält, was es verspricht. Die Gefahr, als Billig-Kraft verheizt zu werden, ist in Ausnahmefällen nicht von der Hand zu weisen. (Eine Übersicht über hochwertige Traineeprogramme findest du hier.)
Und drittens ist der erste Arbeitsplatz für die weitere Kar-
riere ungeheuer wichtig. Das bestätigten zuletzt US-Forscher. Demzufolge kann sich ein kraftloser Karrierestart noch zehn Jahre später negativ auf Position und Gehalt auswirken. So waren von den untersuchten US-Hochschulabsolventen, deren erste Stelle ihrer Qualifikation entsprach, fünf Jahre später noch 87 Prozent angemessen beschäftigt. Dagegen saßen 75 Prozent derjenigen, die für ihre Debütstelle überqualifiziert gewesen waren, nach fünf Jahren noch immer in einer miesen Position fest. Vor allem Frauen unterläuft dieser Karrierefehler häufig.
Ein gutes Traineeprogramm kann genau das verhindern. Die Programme sind als Ausbildungsprogramme für Führungskräfte konzipiert. Der Trainee durchläuft in der Regel mehrere Stationen im Unternehmen, knüpft Kontakte und Netzwerke, lernt das Unternehmen in all seinen Facetten kennen. Und er kann der Frage nachgehen, wo die eigenen Präferenzen liegen, in welchem Unternehmensbereich er oder sie anschließend gerne anknüpfen würde. Ein gutes Traineeprogramm zeichnet sich außerdem durch gezielte Weiterbildungen und Mentoren aus, die dem Einsteiger mit Rat und Tat zur Seite stehen. „Viele Unternehmen aus den deutschsprachigen Ländern sind sehr exportorientiert und international präsent“, ergänzt Wegerich. „Deshalb hat der Auslandsaufenthalt im Rahmen von Traineeprogrammen großen Stellenwert erlangt.“ Das Unternehmen investiert viel Zeit und Geld in einen Trainee – im Gegensatz zu einem Praktikanten etwa – und hat daher ein großes Interesse an dessen Erfolg und Weiterbeschäftigung. Ein riesen Pluspunkt!
Der vielleicht einzige gravierende Nachteil: Trainees verdienen oft weniger als Direkteinsteiger. Als Faustregel taugt dies aber kaum noch, denn die Gehaltsschere scheint sich eher zu schließen als zu öffnen. Auch haben die Direkteinsteiger nicht die Vorteile von Trainees – eine intensive Einarbeitung mit Rotationswechseln zum Beispiel. Durchschnittsgehälter für Trainees sind ohnehin schwer bis unmöglich zu ermitteln. Zu unterschiedlich sind die Branchen und Firmen, die Traineeships anbieten. Die Spanne geht – grob überschlagen – von 25.000 Euro bis 45.000 Euro brutto im Jahr. Mitunter kommt es auch darauf an, in welcher Tochterfirma das Traineeprogramm absolviert wird. So wird ein kaufmännischer Trainee bei der Dienstleistungstochter eines großen österreichischen Baukonzerns laut aktueller Stellenausschreibung mit 41.000 Euro pro Jahr vergütet. Ein anderes Tochterunternehmen des Baukonzerns zahlt einem kaufmännischen Trainee dagegen nur 35.000 Euro. Zusammenfassend kann man sagen: Je lukrativer die Branche, je größer das Unternehmen und je besser das eigene Verhandlungsgeschick ist, desto höher auch das Trainee-Gehalt.
Das machen Trainees bei der Post
Bei der Österreichischen Post sind am 3. September 18 Trainees in den neuen Jahrgang gestartet. Das Programm ist vergleichsweise kurz, dauert nur bis Ende Juni 2019 und damit nicht mal ein volles Jahr. Dafür ist es prall gefüllt. Zunächst begrüßt die Post ihren Nachwuchs mit einem Willkommenstag, darauf folgt ein zweitägiger Aufenthalt in Bad Ischl. Teambuilding. Den Trip organisieren die Trainees des Vorgänger-Jahrgangs. Sie können jetzt beweisen, wie viel Management-Knowhow sie wirklich mitgenommen haben.
Es gibt regelmäßige Trainings, zu Projektmanagement, Kommunikation, Arbeitsrecht oder „pyramidal strukturiertem Denken und Präsentieren“. Wenigstens zwei Rotationen sind vorgesehen. In der Praxiswoche helfen die Trainees in den Post-Filialen, Zustellbasen, im Postkundenservice und in den Verteilzentren mit. Sie dürfen die Hauptversammlung besuchen und die Vorstände der Post kennenlernen. Für all das gilt: Ein Uni- oder FH-Abschluss ist Voraussetzung, um in die engere Auswahl zu kommen.
Darum sind frühe Einblicke hilfreich
Das ist bei den meisten Traineeprogrammen so. So kam eine Studie zu dem Schluss, dass in ca. 49 Prozent der international tätigen Unternehmen ein Bachelorabschluss vonnöten ist, in rund 22 Prozent sogar ein Master. In den deutschen Unternehmen verlangen über 41 Prozent ein Zeugnis mit der Aufschrift Bachelor. Schwer vorstellbar, dass dies in Österreich sehr viel anders sein könnte. „Einen gravierenden Unterschied der Traineeprogramme in den deutschsprachigen Ländern kann ich nicht feststellen“, meint Christine Wegerich zur Situation in Österreich, Deutschland und der Schweiz.
Die österreichischen Unternehmen haben mittlerweile fast durchwegs Traineeprogramme aufgebaut. Darunter Automobilhändler wie die Porsche Holding, Versorger wie OMV oder Industrieunternehmen wie die Voestalpine. Bei Porsche durchlaufen die Trainees in 18 Monaten die verschiedenen Geschäftsbereiche: Großhandel, Einzelhandel, Finanzdienstleistungen und Informatik. Jedes Jahr stellen die Autohändler 20 bis 25 Kandidaten ein. Bewerber sollen neben ihrem Lebenslauf noch ein kurzes Bewerbungsvideo einreichen. Dies soll den Personalern die Entscheidung erleichtern, ob ein Bewerber auch persönlich ins Team passt oder nicht.
Warum Trainees oft einen Realitätsschock haben
Das Bauunternehmen Strabagbietet neben einem kaufmännischen auch ein technisches Traineeprogramm an. Die Kaufleute lernen die Bereiche Finanz- und Rechnungswesen, Beschaffung, Controlling und Personal kennen. Die Techniker werden zudem in die Kalkulation, ins Labor und für längere Zeit in einen Baustellen- und Auslandseinsatz entsendet. Das Handelsunternehmen Spar wiederum stellt seinen International Management Trainees einen Mentor an die Seite. 22 Trainees beschäftigt man dort momentan. Die Nachwuchskräfte durchlaufen in 18 Monaten die einzelnen Unternehmensbereiche in der Salzburger Zentrale. Auch sollen explizit Verkaufstalente gefördert werden. „Lerne das Geschäft von der Pike auf kennen!“ So umwirbt Spar Vertriebler, für die es schließlich kaum geeignete Studiengänge gibt. Ein Traineeprogramm als Marktlücke und Studienersatz.
Die Chancen auf einen Platz stehen bei Spar gar nicht so schlecht. Auf einen freien Platz kommen nach Angaben des Unternehmens momentan zehn Bewerber. Die Zahl der Plätze hängt allerdings immer vom aktuellen Bedarf ab, das nächste Programm startet 2019. Eine Übernahme ist sehr wahrscheinlich. „Alle, die wir ausbilden, werden ausgebildet, um sie danach bei uns zu behalten“, sagt Spar-Sprecherin Nicole Berkmann.
Viel wichtiger als ein ausgeklügeltes Programm ist aber, ob es letztlich auch mit Leben gefüllt wird. Eine Masterarbeit an der WU Wien zeigte 2017, dass die meisten Trainees mit ihrem Programm grundsätzlich zufrieden sind. Vor allem die Rotationen kommen gut an. Laut Autorin Maria Horvath erleben viele Trainees aber auch eine Art Realitätsschock. Ihre Tätigkeiten entsprechen oft nicht den Erwartungen, die sie vorher an das Traineeprogramm hatten, was zum Teil auch mit dem fehlenden Praxisbezug in der Uni erklärt werden kann. „Absolventen sollten vorher versuchen, Einblicke ins Unternehmen zu gewinnen“, meint Christine Wegerich. Wie ist die Zielsetzung des Traineeprogramms? Welche Tätigkeiten sind vorgesehen, welche Einsatzfelder? Möglicherweise kontaktieren sie sogar ihre Vorgänger und fragen nach deren Erfahrungen. Auch sei es ganz wichtig, während eines Traineeprogramms um Feedback zu bitten. Eine regelmäßige Beurteilung ist mitentscheidend für den Erfolg eines Traineeporgramms, glaubt Wegerich.
Sind Traineeprogramme von großen Unternehmen besser?
Und ebenfalls sehr wichtig: Trainees sollten von Anfang an in die Teams und Projektgruppen im Unternehmen integriert werden, nicht nur als stille Beobachter dabei sitzen. Projektarbeit hilft, Geschäftsmodelle zu verstehen, sich fachlich und persönlich zu entwickeln. Der Arbeitgeber muss zum Wissenstransfer bereit sein. Wenn der Trainee nicht vom Fachvorgesetzten oder Mentor mit Knowhow gefüttert wird, kommt er kaum von der Stelle. All das kostet Zeit und Energie. Davon haben vor allem kleine und mittlere Unternehmen oft zu wenig.
Dass man deren Traineeprogramme darum meiden solle, möchte Christine Wegerich allerdings nicht unterschreiben. „Größere Unternehmen bieten in der Regel umfassendere Traineeprogramme an als kleinere Unternehmen“, sagt sie. „Das liegt häufig auch daran, dass in größeren Unternehmen meistens auch mehr Trainees gleichzeitig das Programm durchlaufen.“ Das heiße aber nicht automatisch, dass die vielen Seminare auch die gewünschte Wirkung hätten. „Ein gutes Traineeprogramm fördert die individuellen Kompetenzen des Trainees und geht nicht stur nach Schema F vor“, sagt sie. Es trainiert genau die Fähigkeiten, die der Trainee in einer späteren Anschlussposition gebrauchen und anwenden kann. Das können auch kleine, wendige, flexible Firmen leisten. Ergo: Ein gutes Traineeprogram ist nicht nur professionell aufgebaut, sondern passt auch zum Trainee.
Warum man ein Traineeship nicht vorzeitig abbrechen sollte
„Was jedoch unbedingt vermieden werden sollte“, sagt Wegerich, „ist eine vorzeitige Beendigung des Traineeprogramms.“ Vorzeitig aussteigen, um schon früher in eine feste Position im Unternehmen zu wechseln. Das mag verlockend sein, immerhin winkt dann auch ein höheres Gehalt. „Aber die Konzepte sind in der Regel so aufgebaut, dass die Teilnehmer eine bestimmte Zeit benötigen, die Lernangebote im eigenen Berufsalltag umzusetzen“, sagt Wegerich. „Diese wichtige Lernzeit sollte nicht verkürzt werden.“
Dass ein Traineeprogramm wirklich bis nach ganz oben führen kann, zeigt das Beispiel Marcel Haraszti. Er fing 2011 als Trainee an, ist jetzt einer von fünf Vorständen der Rewe International AG in Wien. Wer dagegen in den Vorstand der Österreichischen Post will, sollte den Jobeinstieg über ein Traineeship vielleicht noch mal überdenken. Drei der vier Vorstände heuerten nach dem Studium als Unternehmensberater an.
Traineeprogramme: Die Checkliste
Diese Fragen sollten sich Bewerber stellen, bevor sie sich für ein Traineeprogramm bewerben – und entscheiden:
- Wie lange dauert das Programm? Länger als 24 Monate sollten es grundsätzlich nicht sein.
- Entspricht das Traineegehalt meinen Erwartungen? Von einem größeren Unternehmen aus der Automobilbranche können Trainees mehr Geld verlangen als von einer kleinen PR-Agentur.
- Welche Stationen sind im Rahmen der Rotation vorgesehen?
- Stellt mir das Unternehmen einen Mentor an die Seite?
- Welche Seminare und Fortbildungsmöglichkeiten gibt es?
- Und ist auch ein Auslandsaufenthalt geplant?
Je mehr Punkte zufriedenstellend beantwortet werden können, desto besser die Rahmenbedingungen.
Text: Sebastian Wolking
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